In diesem Beitrag gebe ich einen (groben) Einblick in die Durchführung einer Mitarbeiterbefragung mittels (standardisiertem) Fragebogen. Es soll um Nutzen und „Gefahren“ der Befragung sowie die do´s und dont´s bei der Durchführung gehen.
Es geht nicht um einen einfachen Feedbackbogen.
Vor allem richte ich mich mit diesem Artikel an HHM.
Aus meiner Erfahrung unterscheiden sich diese Betriebe nicht nur durch die Größe oder Inhaberschaft von Großbetrieben.
Folgende Aufzählungen sind exemplarisch, nicht generalisierbar und unterscheiden sich je nach Betrieb (konservativ vs. modern), Branche (IT vs. Metzger) oder Region (Pfälzer-Wald vs. Hamburg), sollen aber weitere Unterschiede verdeutlichen.
An der Entscheidungsfindung können auch nur wenige (manchmal eine) Personen beteiligt sein.
Positionen sind nicht selten mit Generalisten statt Spezialisten besetzt.
Gerade in Familienunternehmen herrschen nicht selten gewachsene Strukturen (Traditionen), die nicht (mehr) hinterfragt werden. Ressourcen sind meist sehr begrenzt, bei der Wahl der Maßnahmen muss also, aufgrund des kleineren Hebels besonders auf den Return geachtet werden.
Diese und weiteren Besonderheiten spiele eine entscheidende Rolle bei der Akzeptanz und Umsetzbarkeit der Instrumente und Maßnahmen.
Mitarbeiterbefragungen sind ein Instrument, welches in (fast) keinem Unternehmen fehlen darf.
Gute Befragungen erheben zuverlässig den Ist-Zustand, zeigen Potenziale und sind Voraussetzung für Entwicklungsmaßnahmen, die nicht nur auf Bauchgefühl beruhen.
Zu Beginn sind geeignete Informationen zu sammeln, um eine Fragestellung zu entwickeln.
HHM-Betriebe haben den Vorteil der Nähe zu ihren Beschäftigten, es eignen sich beispielsweise Gruppendiskussionen, Interviews, anonymer „Kummerkasten“ und eine Analyse objektiver Kennzahlen, um eine geeignete Fragestellung zu entwickeln.
Die Interviews sollen keinesfalls ein Verhör sein, sondern die Bitte, das Arbeitserleben aus eigener Sicht zu schildern, um Verbesserungen einleiten zu können.
Es können auch Vorschläge aufgenommen werden, die später im Fragebogen bewertet werden.
Die Ergebnisse können nur als erste Hinweise gesehen werden, die Qualität der Antworten hängt bereits von der Beziehungsqualität ab. Erfahrung und Einstellung der Beschäftigten zu Befragungen spielen ebenso eine Rolle.
Vorbehalte sollten erfasst und besprochen werden.
Objektive Kennzahlen können ebenfalls als Indikator herangezogen werden.
Beispiel: Deutlich erhöhte Krankheitstage ohne plausiblen Grund können auf Unzufriedenheit in der Belegschaft hinweisen.
Ähnlich verhält es sich mit einer hohen Fluktuationsquote, die nicht plausibel erklärt werden kann (leider werden häufig keine Exit-Interviews geführt oder dokumentiert).
Diese Fragestellung gibt vor, was gemessen werden soll, aus ihr werden dazu überprüfbare Annahmen (Hypothesen) abgeleitet.
Beispiele für Fragestellungen: Wie stellen sich die Dimensionen der Arbeitszufriedenheit in Abhängigkeit vom Alter der Beschäftigten dar? Wie wird das Führungsverhalten von den Beschäftigten wahrgenommen? Wie ausgeprägt ist die emotionale Bindung der Beschäftigten zum Unternehmen? (einfache Formen zur besseren Lesbarkeit).
Ein guter Fragebogen orientiert sich an der Fragestellung, an den Besonderheiten des Betriebs und der Zielgruppe.
Dabei sind Hinweise zum Datenschutz, -verwendung, Freiwilligkeit, Anonymität und weitere Qualitätskriterien einzuhalten.
Es kommen, immer wenn möglich valide Frage-Konstrukte zum Einsatz, die dazu geeignet sind psychologische Konstrukte zu messen, dabei sind besonders Validität (Messgültigkeit) und Reliabilität (Messgenauigkeit) zu beachten.
Ein Fragebogen sollte daher von ausgebildeten Fachleuten erstellt und interpretiert werden.
Es lassen sich durch das Erheben von zusätzlichen Informationen, wie Alter, Geschlecht, Betriebszugehörigkeit, Abteilung oder bestimmte Einstellungen weitere Erkenntnisse gewinnen.
Beispiel: Führung als eine Dimension der Arbeitszufriedenheit wird deutlich schlechter von „jungen“ Beschäftigten im Betrieb bewertet.
Ein Zusammenhang zeigt allerdings noch keine Ursache auf. Voreilige Schlüsse sind zu vermeiden.
Zur Einordnung wird das Ergebnis mit einer Normstichprobe verglichen, wenn eine vorliegt. Ist oben genannte Effekt evtl. üblich? Also bewerten junge Menschen Führung tendenziell schlechter oder zeigt sich hier ein betriebliches Konfliktfeld? Was sagt der Stand der Forschung dazu?
Die Ergebnisse eines Fragebogens müssen also auch richtig interpretiert und eingeordnet werden, um Fehlschlüsse zu vermeiden.
Grenzen dieser Methode müssen bedacht sein. Es handelt sich dabei immer nur um eine Momentaufnahme einer subjektiven Wahrnehmung. Arbeitszufriedenheit entsteht durch das positive Ergebnis eines Vergleichs von Erwartung und Wahrnehmung. Mangelnde Arbeitszufriedenheit kann also auch durch eine verzerrte Wahrnehmung oder „falsche“ Erwartungen entstehen. Erwartungen und Ansprüche unterscheiden sich nicht nur von Mensch zu Mensch, sondern hängen auch von üblichen Standards der Branche ab.
Eine Herausforderung bei der Durchführung im Bereich der KMU ist die ggf. geringe Teilnehmerzahl. Das Erheben von Daten, die Rückschlüsse auf die Person zulassen, muss vermieden werden, um die Anonymität zu wahren. Je nach Anzahl, der zu Befragenden ist zu prüfen, inwieweit Alter, Geschlecht, Abteilung… erhoben werden können, ohne die Anonymität zu gefährden und ob unter diesen Umständen der Fragebogen überhaupt noch das geeignetste Instrument für die Aufgabe darstellt.
Teilnahmebereitschaft und „Ehrlichkeit“ der Beschäftigten spielen eine entscheidende Rolle. Wichtig ist es vorab zur kommunizieren, was, wie, warum und wann bei der Durchführung geschehen wird. Es ist Aufgabe der Führungskräfte, diese Informationen zu kommunizieren, um Vertrauen und Commitment für die Befragung zu erzeugen.
Eine geringe Rücklaufquote oder auffällig falsche Antworten sind auch ein Statement. Sind die Beschäftigten nicht mehr an einer aktiven Mitarbeit zur Verbesserung interessiert, ist der Fragebogen auch nicht mehr das Instrument der Wahl.
Ort und Uhrzeit sind so zu wählen, dass die Beantwortung störungsfrei ablaufen kann. Der Tagesablauf ist zu beachten, eine Befragung kurz vor Feierabend oder der Mittagspause kann die Datenqualität beeinträchtigen. Es gibt viele (auch kostenlose) Tools, um eine Befragung durchzuführen. Das Formular sollte so aufgebaut sein, dass die Beantwortung auch bequem am Handy erfolgen kann. Per Link oder QR-Code kann die Befragung gestartet werden.
Die Ergebnisse der Befragung müssen interpretiert und eingeordnet werden.
Was bedeutet ein Wert von X in einer bestimmten Skala? Gibt es eine Normstichprobe? Welche Zusammenhänge können festgestellt werden? Wie ist der Stand der Forschung zu den Erkenntnissen. Können Annahmen über Wirkzusammenhänge getroffen werden? Welche konkreten Maßnahmen empfehlen sich.
Nach meiner Praxiserfahrung ist dieser Punkt der schwierigste. Einerseits orientiert man sich an erwiesenermaßen wirksamen Methoden, anderseits muss der Auftraggeber dafür gewonnen werden und dann auch noch die Beschäftigten.
Dabei geht es um die nötigen Ressourcen aber auch um die Bereitschaft sich einzulassen.
Manchmal erfordert die Realität einen Kompromiss.
Beispiel: Eine Führungskraft, seit 20 Jahren im Amt soll zum ersten Mal ein Leadership Training besuchen. Es braucht schon Gefühl, damit das kein Schlag ins Gesicht für diese Person wird.
Ebenso wichtig ist es die Ergebnisse der Befragung im Nachgang mitzuteilen und offen zu besprechen.
Ziele müssen gesetzt, Maßnahmen abgeleitet und sichtbar umgesetzt werden.
Mangelnde Umsetzung ist einer der häufigsten Fehler nach Befragungen und hat einen sehr negativen Effekt auf das Team.
Nach einer festgelegten Zeit wird die Messung wiederholt, um die Veränderungen festzustellen und die Zielerreichung zu prüfen, dabei werden auch die relevanten Kennzahlen verglichen.
Hat sich der Krankenstand verbessert? Ist die Fluktuationsrate gesunken? Sind die Kundenbeschwerden weniger?
Professionelle Unterstützung könnt ihr hier anfragen.
Döring, N., & Bortz, J. (2016). Forschungsmethoden und Evaluation in den Sozial- und Humanwissenschaften. Springer Berlin Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-41089-5
Schnell, R. (2019). Survey-Interviews: Methoden standardisierter Befragungen. Springer Fachmedien Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-531-19901-6
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